Open Access: Hintergrund, Ziele, Varianten

Der Verweis auf Open Access ist im Wissenschaftsalltag allgegenwärtig. Da zumeist mit Open Access nur die kostenfreie Bereitstellung oder das “Verschenken” von wissenschaftlichen Inhalten verbunden wird, lohnt es sich, genauer hinzuschauen.

Hintergrund

Die Bezeichnung Open Access geht auf wissenschaftspolitische Initiativen Anfang der 2000er Jahre zurück (Budapester Open Access Initiative, Bethesda Statement on Open Access Publishing und Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen). Hintergrund war die sogenannte Zeitschriftenkrise. Beständig steigende Abopreise trafen auf stagnierende oder schrumpfende Bibliotheksetats der Hochschulen. Daraufhin kündigten Bibliotheken eine Vielzahl ihrer Zeitschriftenabos oder kürzten ihr Budget für Monografien, um Abos zu halten. Die Konsequenzen waren eine sinkende Reichweite wissenschaftlicher Publikationen und die Verstärkung des ungleichen Zugangs, den sich letztlich nur noch die großen, zahlungskräftigen Universitäten und Forschungseinrichtungen leisten konnten. Motiviert durch die Möglichkeit des Internets, weltweit auf Daten jederzeit zuzugreifen und diese kopieren zu können, entstand Open Access als Gegenentwurf zum Modell der Zeitschriftenabonnements. Von den VerfechterInnen des Open Access wurde der “Closed Access” zu wissenschaftlichen Inhalten durch Paywalls als künstliche Verknappung im digitalen Zeitalter problematisiert.

Offener Zugang?

Ein offener Zugang wird dagegen nicht durch die kostenfreie Bereitstellung allein erfüllt. Es erfordert auch barrierefreie Zugriffsmöglichkeit und bestimmte frei zugestandene Nutzungsrechte. So appelliert die Budapester Open Access Initiative, dass wissenschaftliche Inhalte

“kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein [sollten], so dass Interessierte die Volltexte lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, in ihnen suchen, auf sie verweisen, und sie auch sonst auf jede denkbare legale Weise benutzen können, ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren jenseits von denen, die mit dem Internet-Zugang selbst verbunden sind.”

Die Durchsuchbarkeit setzt dabei eine besondere Aufbereitung voraus. Inhalte müssen volltextlich erschlossen sein. Die Berliner Erklärung fordert weitergehende Nutzungsrechte, um die wissenschaftlichen Inhalte auch öffentlich vortragen und unter Angabe des Namens der UrheberIn weitergehend bearbeiten zu können. Die Forderung nach Open Access geht also weiter als der reine entgeltfreie Zugriff auf wissenschaftliche Texte, auch wenn dies meist so verstanden wird. Die Nutzungsmöglichkeiten sollen rechtssicher durch offene Lizenzen (z.B. Creative Commons) geklärt werden. Um das richtige Ausmaß der freien Nutzungsmöglichkeiten und auch um die richtige offene Lizenz für Open Access wird zwischen VertreterInnen von Wissenschaft, Bibliothekswesen, Forschungsförderung, Politik und Verlagen lebhaft gestritten.

Gegenstand von Open Access

Was soll eigentlich im Open Access stehen? Zuerst war die Forderung nach Open Access auf Artikel aus wissenschaftlichen Fachzeitschriften bezogen. Seit der Berliner Erklärung wird diese aber auf wissenschaftliche Informationen im Allgemeinen ausgeweitet. Im Open Access veröffentlich werden sollen

“originäre Forschungsergebnisse ebenso wie Ursprungsdaten, Metadaten, Quellenmaterial, digitale Darstellungen von Bild- und Grafik-Material und wissenschaftliches Material in multimedialer Form”.

Bei Monografien und Sammelbänden gewinnt Open Access in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Zudem wird durch die Forderung nach Open Access zu kulturellem Erbe ein vager Schritt über die Wissenschaft hinaus gemaht. Aufgrund des ursprünglichen Fokus auf Fachzeitschriften tut sich aber ein Großteil der Diskussion um Open Access schwer, die neuen Bereiche bei der Formulierung von Strategien und Umsetzungsmöglichkeiten von Open Access angemessen zu berücksichtigen.

Wünsche, Ziele, Hoffnungen

Die Wünsche, Ziele und Hoffnungen, die sich in der Forderung nach Open Access ausdrücken, sind vielgestaltig und hängen von den jeweiligen ProtagonistInnen ab und davon, aus welchem Bereich sie kommen: Wissenschaft, Bibliotheken, Forschungsförderung, Verlage, Politik.

Allen gemein ist das Ziel einer angemessenen Publikationsform, welche die Vorteile der digitalen Welt nutzt: Auffindbarkeit, Verfügbarkeit, Erschließbarkeit, Kopierbarkeit und Vernetzung. WissenschaftlerInnen und Forschungsförderungen erhoffen sich durch Open Access eine größere Reichweite, Sichtbarkeit und somit einen Zitationsvorteil. Damit ist auch die Hoffnung auf effizientere Forschung und deren Förderung verbunden, da – so die Vorstellung – Forschung im Open Access auch größere Wirkung auf die scientific community und auch auf die Gesellschaft habe.

Ein weiteres Ziel wird als das tax payer argument formuliert. Demnach sollten die Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung auch für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglich gemacht werden, da diese bereits mittels Steuergeldern von der Öffentlichkeit bezahlt wurde. Zudem besteht die Hoffnung, dass durch Open Access nicht nur WissenschaftlerInnen an zahlungskräftigen Universitäten und Forschungseinrichtungen Zugang zu wissenschaftlichen Inhalten erhalten; auch zahlungsschwache WissenschafterInnen, Forschungseinrichtungen, Interessierte aus allen Bereichen und Regionen sollten so auf Wissen und Erkenntnisse zugreifen können.

Open Access wird durch diese Argumentation mit einer Verringerung sozialer und globaler Ungleichheit verknüpft. Weiter geht die Vorstellung, dass durch freien Zugang zu wissenschaftlichen Information auch eine größere Partizipation und Mitbestimmung und damit mehr Demokratie erzeugt werde. Darüber hinaus ist Kostenersparnis für Bibliotheken und Forschungseinrichtungen ein ökonomisches Ziel, wenn anstelle von Gebühren für Abonnements niedrigere Publikationskosten und Hosting-Gebühren von Repositorien anfielen. Von Seiten der Politik und Forschungsförderung wird auch die schnellere Verwertbarkeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen betont.

Zu all diesen Punkten gibt es viel zu sagen – hier geht es jedoch erst einmal nur um die reine Darstellung der Perspektiven der Open Access-Befürworter.

Varianten von Open Access

Bei der Umsetzung von Open Access wird zumeist zwischen dem Grünen und dem Goldenen Weg unterschieden. Goldener Open Access bezeichnet die Erstveröffentlichung direkt im Open Access. Inhalte erscheinen in originären Open Access-Zeitschriften, als eigenständige und freie Publikationen auf Verlagsseiten oder als Erstveröffentlichung auf Servern von Hochschulen oder anderen Forschungseinrichtungen. Bei der Veröffentlichung wird ihnen eine offene Lizenz (zumeist eine Creative Commons-Lizenz) zugewiesen, durch die Nutzungsrechte geregelt werden sollen. Die Finanzierung kann nicht nach etwaigen Umsatzpotenzialen erfolgen, denn es wird kein Umsatz generiert. Die Kosten der Publikationsdienstleistungen, von Produktion und Bereitstellung müssen vollständig durch Gebühren gedeckt werden. Die Finanzierung läuft dabei zumeist über so genannten APCs (Article Processing Charges) bzw. BPCs (Book Processing Charges), die entweder durch die AutorInnen, ihre Forschungseinrichtungen, Forschungsförderungen, durch institutionelle Mitgliedschaftsmodelle oder crowd funding getragen werden. Da eine Open Access-Lizenz nicht mehr zurückgenommen werden kann, können allenfalls die Freiheitsgrade weiter erhöht werden. Eine Variante des Goldenen Open Access ist ihre hybride Form, bei der Teile des Materials unmittelbar bei Veröffentlichung im Open Access verfügbar sind und andere Teile im Closed Access hinter einer Paywall stehen.

Der Grüne Open Access bezeichnet eine Veröffentlichung mit Zeitverzögerung zur Erstpublikation. Die Publikation ist entweder bereits in einem Verlag oder einer Zeitschrift erschienen, dann handelt es sich um eine Zweitveröffentlichung. Alternativ wird eine Vorabversion, eine sogenannte Preprint-Version veröffentlicht. Das Postprint wird zumeist nach einer Embargofrist in den Open Access freigegeben. Die Zweitveröffentlichung kann sowohl auf der gedruckten Version basieren oder auch ein qualitätskontrolliertes inhaltsgleiches Manuskript sein. Dies hängt von den Vereinbarungen zwischen Publikationspartner und AutorInnen ab. Als Preprint können auch Forschungspläne, Konferenzpapiere, Präsentationen, Manuskripte etc. hochgeladen werden, wenn Repositorien und Publikatioinspartner dies erlauben.

Qualität und Verbreitung

Abschließend sollen noch zwei Aspekte von Open Access angesprochen werden, bei denen Verlage besonders helfen können, nämlich Qualitätskontrolle und Verbreitung der Inhalte.

Die Forderung nach Open Access bezieht sich vornehmlich auf wissenschaftliche Inhalte und nicht auf jeglichen hochgeladenen Content mit einer freien Lizenz. Repositorien und die meisten Open Access Journals fordern qualitätskontrollierte Inhalte. Content von Verlagen wie Zeitschriften, bei dem Qualitätsfragen vernachlässig werden, wird als predatory open access gebrandmarkt. Da Qualitätskontrolle gewünscht und gefordert ist, bietet es sich an, auf die Erfahrung und die Publikationsdienstleistungen von Verlagen und ihren Lektoraten zurückzugreifen.

Auch die erhoffte höhere Sichtbarkeit und Verbreitung von Open Access folgt nicht automatisch aus einem offenen Zugang. Dem besten wissenschaftlichen Inhalt nützt der freie Zugang nichts, wenn er nicht gefunden wird und nur auf einer Seite auf Zugriff wartet. An Verbreitung und Auffindbarkeit muss aktiv gearbeitet werden. Trotz kostenfreien Zugangs würden die besten wissenschaftlichen Inhalte wenig Beachtung finden, wenn nicht Metadaten gepflegt, DOIs vergeben, wie auch Bibliotheken, Repositorien und weitere Open Access-Netzwerke bedient werden.

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