Plage #4: Hochschulrahmenvertrag

HochschulrahmenvertragMit Wirkung zum 1. Januar 2017 sollte ein neuer Hochschulrahmenvertrag in Kraft treten, der zum Beispiel regelt, wie die Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material in digitalen Semesterapparaten vergütet wird. Die VG Wort berichtete dazu. Bis Ende 2016 erfolgte eine pauschale Vergütung.

Bereits 2013 befand der BGH, eine nutzungsabhängige Vergütung müsse eine gerechtere Abrechnung ermöglichen. Doch ist dies mit Aufwand verbunden. Anstatt einzuscannen und im Intranet einer Hochschule die Texte verfügbar machen zu können, sollen nun die bibliografischen Angaben – also die genaue Quelle inklusive der Seitenangaben – und Angaben zur Veranstaltung, in der die Materialien genutzt werden, in ein Online-Formular eingegeben werden. Bei der VG Wort gibt es ein entsprechendes Meldeportal. Ein auf digitale Semesterapparate spezialiserter Anbieter, die Booktex, bietet die rechtssichere Anmeldung mit einer unmittelbaren Download-Möglichkeit der aktuell über 50.000 dort verfügbaren Texte und die sofortige Abrechnung. (Auch unsere Bücher und Zeitschriften sind bei der Booktex auf diese Art leicht und rechtssicher in digitale Semesterapparate zu integrieren.)

Doch was gerecht sein mag, erscheint zum einen zu aufwändig und zum anderen zu teuer: Die Hochschulen weigerten sich, dem Rahmenvertrag beizutreten. Und unter Studierenden brandete ein Sturm der Entrüstung auf: Dass Studienmaterial Geld kosten solle, zeige mal wieder, wie korrupt und gierig in Deutschland mit Bildung gehandelt würde.

Als Verlegerin und als Autorin bin ich irritiert. Aus dem ausgehenden 20. Jahrhundert kenne ich die Diskussionen und ideologisierten Forderungen nach “Freibier für alle” – alles Wissen müsse im Internet für alle kostenlos verfügbar sein. Die Forderung ist ja gut und schön – doch wer bezahlt die Arbeit, die in der Aufbereitung des Wissens steckt?

Verlagsarbeit macht sich nicht von allein

In meinen Verlagshäusern sind rund zwölf MitarbeiterInnen und viele, viele feste Freie damit beschäftigt Programmarbeit zu machen, zu lektorieren, zu formatieren, zu werben, Veröffentlichung und Vertrieb zu organisieren. Wir begutachten und bearbeiten Texte – in den Augen einiger leisten wir an dieser Stelle zu wenig, aber für mehr reichen die Erlöse nicht -, wir formatieren, wir gestalten, wir diskutieren Titelformulierungen, erfinden neue Projekte, setzen Zeitschriften auf, digitalisieren alles, was digitalisiert werden muss, wir pflegen Datenbanken, erschließen Inhalte über Metadaten und machen beides verfügbar – und zwar im Internet, aber auch an spezifischen Orten, z.B. für Repositorien, Indizierungsdatenbanken nationaler und internationaler Bibliotheksaggregatoren. Wir organisieren Marketing, Werbung, Veranstaltungen, Büchertische, Kooperationen. Wir stoßen Übersetzungen an, handeln Lizenzen aus. Wir sorgen dafür, dass Gedrucktes durch die ganze Welt geschickt wird – oder vor Ort produziert, um den Transport zu sparen. Damit sind wir alle jeden Tag den ganzen Tag beschäftigt. Und tatsächlich sind die wirtschaftlichen Ergebnisse so, dass die Kolleginnen und Kollegen anderer Branchen mitleidig die Augenbrauen hochziehen.

Wie sollten all diese Leistungen umsonst zu erbringen sein?

Widerstand gegen den Hochschulrahmenvertrag

Ich kann die Haltung gut verstehen, dass Dinge, die zuvor keine Mühe machten und nicht spürbar Geld gekostet haben, nun Zeit und Geld kosten sollen – das fühlt sich nicht gerecht an, nicht für die Hochschulen und schon gar nicht für die Lehrenden. Wobei sich die Beteiligten einig waren, dass die neue Einzelabrechnung für die Hochschulen letztlich etwa das gleiche kosten würde wie die bisherige pauschale Vergütung. Was Sinn ergibt: Es ging ja nicht um eine Erhöhung sondern um eine gerechtere Verteilung der Entschädigungen – eben abhängig von der jeweiligen Nutzung.

Dozentinnen und Dozenten an Hochschulen sind mit allen möglichen Anforderungen konfrontiert, die wenig mit dem eigentlichen Lehren und noch weniger mit dem eigentlichen Forschen und wissenschaftlichen Arbeiten zu tun haben. Da ist die Sache mit den digitalen Semesterapparaten noch ein weiterer Tropfen für das ohnehin schon überlaufende Fass.

Allerdings bedeutet das Melden der Texte, dass bereits vorhandene Daten – die exakten Quellenangaben – zusammen mit einer geschätzten Zahl an Teilnehmenden in eine Maske eingegeben werden sollten. Ein Aufwand, der nach Verfeinerung der VG-Wort-Maske und Verbesserung der Technik unter vier Minuten pro Eintrag in Anspruch genommen hatte. (Wobei in diesen 3,8 Minuten das Hochladen des Textes ins Intranet der Universität Osnabrück, bei der dieser Testlauf stattfand, bereits enthalten war. Das Hochladen hat nichts mit der Meldung zu tun und findet in jedem Falle statt, ob nun einzeln oder pauschal abgerechnet wird.)

Die pauschale Entschädigung für digitale Semesterapparate – zu spät für Verlage

Mit dem Verbot, Verlagen den VG-Wort-Verlagsanteil auszuschütten, hatte der BGH im April 2016 dafür gesorgt, dass Verlage mit Blick auf die pauschale Entschädigung zum Beispiel für die Nutzung ihrer Materialien in digitalen Semesterapparaten leer ausgingen: Nach jahrelangen Auseinandersetzungen um die Vergütung für derartige Nutzungen hatte die VG Wort mit ihren Vertragspartnern aus den Hochschulen endlich eine entsprechende pauschale Abgeltung vereinbart. Die Gelder flossen, nachdem die Verlage aus dem Spiel waren. Sie gingen also leer aus.

Hochschulrahmenvertrag – Neuregelung zum 1.10.2017?

Aktuell wurde nun zwischen Hochschulrektorenkonferenz, Kultusministerkonferenz und der VG Wort vereinbart, dass die aktuelle pauschale Vergütung bis 30.9.2017 laufen solle. Bis dahin solle ein neues Modell gefunden werden, das die nutzungsabhängige Entschädigung ermöglichen solle, wie vom BGH gefordert.

Am Horizont dräut allerdings bereits das nächste Unheil in Form eines Referentenentwurfs zur Neuordnung des Urheberrechts. Würde dies in der aktuellen Form verabschiedet, wäre alles Makulatur – inklusive BGH-Urteil.

Ein Gedanke zu „Plage #4: Hochschulrahmenvertrag

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